Sinus Pilonidalis
Definition, Erklärung und Ursachen
Unter Sinus Pilonidalis oder Steißbeinfistel versteht man eine Veränderung, die zur Bildung eines blind endenden Ganges in und unter der Haut führt. Tritt sie in der Steißbeinregion auf, so wird sie auch als Steißbeinfistel oder Sacraldermoid bezeichnet. Allerdings kann der Sinus Pilonidalis auch unter der Achsel, am Nabel oder (bei Frisören) zwischen den Fingern auftreten.
So unglaublich es klingt, es sind Haarschäfte, die sich durch die Haut einspießen und auf Grund der wiederhakenähnlichen Oberflächenstruktur immer weiter in die Tiefe bohren und dort eine Entzündung hervorrufen. Daher wird der Sinus pilonidalis im Türkischen „Krankheit des umgedrehten Haares“ genannt.
Im Englischen ist der Pilonidalsinus als „jeep-riders-desease“ bekannt: Mehrstündige Touren im Geländewagen bei hohen Temperaturen und in luftdichten Khaki-Uniformen mazeriert die Haut der „Schweißrinne“ zwischen den Gesäßhälften und begünstigt damit ein Einspießen von Haaren.
Zu den Faktoren, welche die Entstehung des Sinus pilonidalis begünstigen zählen starke Behaarung, vermehrtes Schwitzen, ungenügende hygienische Verhältnisse, männliches Geschlecht und Rauchen. Der Sinus pilonidalis tritt allerdings auch bei Personen auf, die keine der o.g. Risikofaktoren besitzen.
Bild: Typische Pits mit einliegenden Haaren
Symptome
Im asymptomatischen Stadium bemerkt der Patient die Steißbeinfistel meist nicht. Wer genau hin schaut kann Poren in der Steißbeinfalte erkennen, die oft Haare enthalten. Allerdings lösen diese Haare durch einen Dauerreiz eine Fremdkörperreaktion aus und durch die bestehenden Poren können Bakterien in die Unterhaut eindringen.
So kommt es zu entzündlichen Veränderungen, die zu Eiteransammlungen führen können.
Dies ist dann das akute Stadium. Es ist gekennzeichnet durch starke Schmerzen, Schwellung und Rötung im Steißbeinbereich. Unbehandelt eröffnet sich der Abszess und es bilden sich Fisteln (d.h. Gänge nach außen). Aus diesen Gängen entleert sich eitriges oder blutiges Sekret. So kann ein chronisch-entzündliches Stadium entstehen. Dieses ist gekennzeichnet von wiederkehrendem Schmerz und Schwellungen in der Steißbeinregion, zusammen mit chronischem Nässen aus den zuvor beschriebenen Poren.
Therapie
Ein Wort vorab: Das komplette Ausschneiden des Befundes und „Offen-lassen“ der Wunde wird durch uns in keinem Fall durchgeführt.
Bild: Chronischer Sinus Pilonidalis bei einem Patienten,
der zuvor ausgeschnitten worden ist.
Es führt unserer Meinung nach zu unglaublichem Leiden auf Seiten des Patienten ohne jedweden Vorteil. Die Heilung dauert Wochen, es besteht eine lange Arbeitsunfähigkeit und selbst nach Ausheilung besteht eine hohe Rezidivhäufigkeit. Im Gegenteil: Es wurden durch uns bereits mehrere Patienten mit seit Monaten offenen Wunden mittels Karydakislappenplastik behandelt und so die Wunden verschlossen. Nebenbei gesagt wird das Ausschneiden in der neuesten S3-Leitlinie kritisch gesehen.
Die Behandlung richtet sich nach dem Stadium der Erkrankung. Liegt ein völlig asymptomatischer Sinus pilonidalis vor, so ist es durchaus zu vertreten zunächst abzuwarten. Ein Beseitigen der Poren (und damit der bestehenden Gefahrenquelle) mittels Pit-Picking ist aber problemlos möglich.
Im akuten Stadium, d.h. bei starken Schmerzen und Eiteransammlung, wird zunächst ein kleiner Schnitt durchgeführt, um den Eiterherd zu entlasten, Schmerzfreiheit herzustellen und den Befund für eine definitive Therapie vorzubereiten. Nach Ausheilung des akuten Infektes sollte nach etwa ein bis zwei Wochen die weitere Therapie geplant werden.
Nach der Behandlung des akuten Stadiums und im chronisch-entzündlichem Stadium ist die Behandlung mittels Pit-Picking und die Versorgung mittels Karydakis-Lappenplastik möglich. Das Vorgehen richtet sich nach den Risikofaktoren (Befund, Geschlecht, Voroperationen) aber auch nach dem Wunsch des Patienten.
Pit Picking
Es handelt sich um den kleinsten Eingriff, der für die Behandlung der Patienten mit Steißbeinfistel existiert. Der Eingriff wird stets ambulant und in lokaler Betäubung durchgeführt.
Das Prinzip der Operation ist es, die von Haut ausgekleideten Fisteleingänge zu „picken“, um einen Verschluss der Fistel durch Narbenbildung zu ermöglichen. Schließen sich die „Pits“ verklebt auch die ehemalig entzündete Höhle unter der Haut und heilt komplett ab.
Bild: Befund nach Pit Picking mit 4 Gängen (=Pits)
Bild: Über den seitlichen Schnitt entfernte Haare.
Links: Die Stanze zum „Picken“ der Gänge.
Bild: Befund 7 Tage nach Pit Picking
Karydakislappenplastik
Liegen sehr ausgeprägte Befunde vor oder wurde der Sinus zuvor ausgeschnitten, ist das Pit Picking Verfahren leider nicht mehr sinnvoll. Dann kommen die „plastischen Verfahren“ zum Einsatz. Bei uns wird der Karydakislappen zum Einsatz.
Der griechische Chirurg G. Karydakis führte Ende der 1960er Jahre eine Operationsmethode ein, die das gesamte Wissen über die Steißbeinfistel bis heute nachhaltig verändert hat.
Karydakis vermutete, dass die Wunden in der Gesäßfalte in einem feuchten, unsauberen, bakterienbesiedelten und sauerstoffarmen Milieu sehr schlechten Heilungsbedingungen ausgesetzt sind. Er schlug vor, eine Operation durchzuführen, nach der die Wunde seitlich der Gesäßfalte liegt. Dies war möglich, indem die Fisteln hauptsächlich auf einer Seite ausgeschnitten wurden. Beim Zusammennähen wird die Haut der Gegenseite rüber gezogen und festgenäht. Die Naht liegt ein bis zwei Zentimeter seitlich der Mitte und verheilt gut.
Die tief eingezogene Gesäßfalte, welche für das Einwachsen der Haare mitverantwortlich ist, wird durch diese Operation ebenfalls angehoben und die Chance, dass erneut Haare einwachsen wird verringert.
Kurz gesagt wird die tiefe Porinne, mit den Narben, Pits und Entzündungen ausgeschnitten und dann die Wunde seitlich der Mittellinie wieder vernäht. Das erkrankte Gewebe ist so komplett entfernt und die tiefe Mittellinie (die Ursache der Erkrankung) wird angehoben.
Diese Methode (zusammen mit anderen Lappenplastiken) weist niedrige Rückfallraten auf und stellt heutzutage die beste Methode in der Behandlung von Steißbeinfisteln dar.
Bild: 10 Tage nach Durchführung einer Karydakislappenplastik
Die genaue Beschreibung und eine Vorstellung des Ablaufs
bezüglich des Pit-Pickings und der Karydakis-Operation finden Sie hier:
• Ablauf und Info Pit Picking (PDF)